Persönlichkeitsorientierter Ansatz

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Prof. Dr. Simon Hahnzog – Systemische Beratung: Persönlichkeitsorientierter Ansatz

 

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Prof. Dr. Simon Hahnzog – Systemische Beratung:

Die persönlichkeitsorientierte Perspektive

Ressourcenorientierte Persönlichkeitstheorien, die in Anlehnung an obige Modelle und verschiedene Systemtheorien das „innere System“ betrachten, werden unter dem Begriff der multipliziten Persönlichkeitstheorien zusammengefasst. Diese ermöglichen ein systemisches Arbeiten mit Einzelklienten auf der Basis der verschiedenen Ansätze der systemischen Beratung (insbesondere mit der Skulpturtechnik → siehe Artikel/Skript „experienteller Ansatz“).

 

Hierzu zählen unter anderem die Polydynamische Persönlichkeitstheorie (Hahnzog 2011, vgl. Literatur) oder das bekannte Modell von Schulz-v.-Thuns „Innerem Team“ – auch Virginia Satir und viele andere entwickelten multiplizite Persönlichkeitstheorien. Durch individuelle Ausgestaltung des Persönlichkeitsgerüsts entsteht ein personenbezogenes Persönlichkeitsbild. Dieses kann beispielsweise dazu genutzt werden, vergessene Ressourcen zu aktivieren, erstarrte Persönlichkeitsstrukturen zu lockern oder individuelle Eigenschaften und aufgaben-orientierte Anforderungen abzugleichen.

 

Die Polydynamische Persönlichkeitstheorie (PDPT) setzt sich aus folgenden Annahmen zusammen:

  • Multiplizite Theorien und die polydynamische Persönlichkeitstheorie im Besonderen nutzen metaphorische Umschreibungen für die Charakterzüge, Fähigkeiten und Eigenschaften des Menschen, um die Persönlichkeit zu beschreiben: Teile (oder auch Anteile, Aspekte), in die die Persönlichkeit des Menschen gegliedert ist.
  • Die Zusammensetzung der Teile ist bei jedem Menschen anders und für ihn charakteristisch. Dadurch entsteht die Individualität seiner Persönlichkeit.
  • Die meisten dieser Teile sind zeitkonsistent, manche entwickeln sind jedoch erst im Laufe des Lebens oder sind nur vorübergehend existent.
  • Die Teile sind dynamisch angeordnet und können sich je nach Situation und Herausforderung neu gruppieren.
  • Die Strukturierung und Ordnung der Teile übernimmt das Selbst, der innere Kern der Persönlichkeit.
  • Jeder Teil der Persönlichkeit steht für konkrete Aufgaben des Verhaltens und Erlebens und stellt in dieser Funktion eine Ressource der Persönlichkeit dar. Jeder Teil strebt danach, seine Aufgaben zu erfüllen und seine Ziele zu erreichen.
  • Wenn ein Teil über einen zu langen Zeitraum in den Vordergrund rückt oder zu einflussreich bzw. zu lange verleugnet wird, oder wenn das Selbst seine delegierende Funktion nicht wahrnimmt, erstarrt das Teilesystem und es entstehen Probleme und Störungen.
  • Indem eine Person sich ihrer Teile bewusst wird, erhöht sie die Möglichkeiten und die Wahrscheinlichkeit, einzelne Teile bewusst einzusetzen oder einzuschränken. Dadurch intensiviert sich die Handlungsfähigkeit der Person.

 

Die (un-)bewusste Verdrängung einzelner eigener Eigenschaften kann in drei Stufen differenziert werden:

  1. „So bin ich zwar (zum Glück) auch, so sollte ich hier aber lieber nicht auftreten.“
    Angst vor der Abwertung anderer, ‚stille Wasser‘.
  2. „So bin ich (leider) auch, aber so sollte ich nicht sein!“
    Abwertung (als dumm und unfähig, als moralisch verwerflich oder als „pervers“) erfolgt durch eigene Stammspieler.
  3. „So bin ich nicht!“
    Leugnung, Gefahr der Dämonisierung, Somatisierung, Devitalisierung.

 

Innere Führung des „Selbst“ zur Herstellung von (dynamischer) Balance:

Um voll handlungsfähig zu werden, muss das „Selbst“ als zentraler Fixpunkt der Persönlichkeit seiner Führungsrolle nachkommen und die inneren Anteile in eine dynamische Balance bringen, also:

  • Kontrolle (v.a. der Außenwirkung)
  • Koordination, Moderation der Beiträge
  • Konfliktmanagement, Polarisierungen klären
  • Personal- und Teamentwicklung: Förderung einzelner Mitglieder, Integration von Außenseitern, kooperatives Gesamtklima
  • Personalauswahl und Einsatzleitung: aufgaben- und bedarfsgerechte „Aufstellung“

 

Produktive Kontaktgestaltung der Teammitglieder nach Innen und letztendliche Selbstklärung erfordert:

  • Erkennen aller, auch der leisen Stimmen à erfordert Zeit
  • Gewichtung der jeweiligen Stimmen für konkrete Situation.
  • Hinterfragen der Aktualität (z.B.: Bin ich immer noch dafür zuständig, den gar nicht mehr so neuen MA zu bemuttern).
  • Und der situativen Legitimität einzelner Mitglieder (z.B.: Ja, ich darf und will hier auch mal egoistisch sein).

 

Produktive Kontaktgestaltung der Teammitglieder nach außen:

  • Der erstbesten Stimme folgen, ggf. nachbessern oder revidieren. Man kann nur mit dem Arbeiten der da ist – dabei aber nicht vergessen, dass es noch mehr gibt – deren Verbleib im Prozess reflektieren.
  • Hierfür Zeit erbitten, um es sich zu überlegen.
  • Bei leichteren Konflikten kann Entscheidungsfindung direkt erfolgen
  • Verdeckt: „Kontaktmanager“ hält den Kommunikationspartner so lange mit allgemeinem freundlichen Geplänkel hin.
  • Entscheidungsprozess offen legen und laut denken.

 

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