Sozialpsychologie: Soziale Kognition

 

3. Soziale Wahrnehmung

Zentrale Frage:

„Wie bildet sich der Einzelne einen Eindruck von anderen Personen?“

Notwendige Voraussetzung hierfür: implizite Persönlichkeitstheorien:

  • Spezifische Schemata, die verwendet werden, um verschiedene Persönlichkeitsmerkmale des Gegenübers zu gruppieren.
  • Die ~ werden genutzt, um die meist lückenhaften Informationen über die andere Personen zu einem Ganzen zusammenzufügen. (vgl. Gestaltpsychologie)
  • Dieser induktive Schluss dient dazu, dem wahrgenommenen Bild des Gegenübers eine ganzheitliche Bedeutung zu geben.
  • Die Persönlichkeitsmerkmale haben dabei eine unterschiedliche Gewichtung. Den zentralen Persönlichkeitsmerkmalen kommt dabei eine hohe integrative Bedeutung zu wohingegen periphere Persönlichkeits-merkmale die soziale Wahrnehmung nicht bedeutsam beeinflussen.
    (vgl. auch 7.)

Dem nonverbalen Verhalten kommt in der sozialen Wahrnehmung eine bedeutende Rolle zu:

Insbesondere für den ersten Eindruck werden vor allem sensorische Informationen verarbeitet (vgl. 7.):
Gestik, Mimik, Stimmfärbung, Körperbewegung und -haltung, Berührung und Blickkontakt sind die wichtigsten Informationskanäle

Den nonverbalen Informationen liegen folgende Funktionen zugrunde:

  • Erleichterung der verbalen Kommunikation
  • Ausdruck von Emotionen
  • Betonung eigener Persönlichkeitsmerkmale

→ Stimmen nonverbales und verbales Verhalten nicht überein, kommt zu Verwirrung der sozialen Wahrnehmung (double-bind).

Exkurs – Kommunikation:

Folgende Kommunikationskanäle werden i.d.R. differenziert:

  1. 1. Verbale Kommunikationsmittel:
    Inhalt, Wortschatz, Sprachstil (Grammatik etc.)
  2. Nonverbale Kommunikationsmittel:
    Nähe- und Distanzverhalten, Körperkontakt, Haltung, Gestik, Mimik, Bewegungen, Blickkontakt.
    Gelegentlich noch dazu gezählt:
    Staffage, Setting, Kleidung, Schmuck, Statussymbole, Raumgestaltung etc.
  3. Paraverbale (Vokale) Kommunikationsmittel:
    Sprachfluss, Stimmlage, Tonfall, Melodie, Atmung,…

Zusammenspiel der Kommunikationskanäle:

  • Wir senden und empfangen Botschaften im Allgemeinen auf mehreren Kommunikationskanälen gleichzeitig:
    Sprache, Blick, Gesichtsausdruck, Gesten, Stimmqualität, Kleidung, Make-up, Distanzverhalten usw.
  • Isolierte Botschaften gibt es nicht, und das Ganze ist auch hier mehr als die Summe seiner Teile (à Gestaltpsychologie).
  • Für die Interpretation einzelner Botschaften ist der Kontext, entscheidend z.B. Lächeln aus Freundlichkeit oder Verlegenheit.
  • Die Wichtigkeit und Häufigkeit der Verwendung der unterschiedlichen Kommunikationskanälen ist sehr abhängig von Kulturen und Subkulturen.

Zirkuläres Prozessmodell der Kommunikation:

Self-Fullfilling-Prophecy

Definition:
Die SFP (Selbsterfüllende Prophezeiung) ist eine Vorhersage, die sich nur aufgrund der Tatsache erfüllt, dass die Personen, die sie wahrnehmen, daran glauben und sich entsprechend verhalten.

„Das was geschieht, wenn eine Überzeugung eine entsprechende Realität hervorbringt.“ (Jonas et al, 2007, S. 74),

Verlauf:

  1. Erwartung an eine andere Person bzgl. Persönlichkeit und Verhalten.
  2. Eigenes Verhalten wird so gezeigt, dass es mit diesen Erwartungen konsistent ist.
  3. Gegenüber reagiert auf das gezeigte Verhalten.
  4. Das Verhalten des Gegenübers wird als Beweis für die Erwartungen bei 1. gesehen …

Beispiel:

Baskerville-Effekt (Philipps et al.  2001):

Eine Untersuchung der Sterbedaten von US-Amerikanern aus den Jahren 1973 – 1998 ergab, dass am 4. eines Monats Amerikaner chinesischer oder japanischer Abstammung überproportional häufig einem plötzlichen Herztod erlagen – im Vergleich mit anderen Monatstagen um durchschnittlich 7%, bei chronischen Herzleiden sogar um 13% häufiger. Bei Amerikanern anderer Herkunft ließ sich dieser Effekt nicht beobachten.

Hintergründe:
Die 4 gilt in Japan und China als Unglückszahl, der 4. des Monats als Unglückstag, auf Mandarin, Kantonesisch und Japanisch klingen die Worte „Tod“ und „vier“ ausgesprochen nahezu gleich.

Durch den Stress, den dieser Tag mit sich bringt, so der Rückschluss, erhöht sich wiederum die Anfälligkeit für Herzerkrankungen, was wiederum den Aberglauben stützt – eine selbst-erfüllende Prophezeiung.

Sozialpsychologie: Soziale Kognition
Markiert in: